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08.05.2015

Illegaler Wahlkampf statt „Jugendtreffen“

Wir, die baden-württembergische Landesvertretung der Alevitischen Gemeinde Deutschland e.V., bedanken uns bei allen Freundinnen und Freunden, die sich am 10. Mai 2015 unserem friedlichen Protest gegen den illegalen Wahlkampf des türkischen Staatspräsidenten Erdogan und die AKP-Politik der Repression, Gleichschaltung und Unterdrückung angeschlossen haben.


Die Ansprache Erdogans, in der er erneut gegen uns Aleviten gepoltert und unter der Verletzung seiner verfassungsrechtlichen Verpflichtung zur Neutralität Position zugunsten der von der AKP angekündigten Reformen im Falle eines Wahlsiegs bezogen hat, hat uns wieder gezeigt, wie berechtigt unser Protest war. Dieser „Blitzbesuch“ war keineswegs – wie von der UETD propagiert- lediglich ein „Zusammentreffen mit der Jugend“.

Erdogan kann kein Alevite sein!

Die Passage in der Erdogan-Rede

„Selbst die Yavuz Sultan Selim Brücke hat sie gestört. In Europa sprechen sie über das Alevitentum ohne Ali. Wenn das Alevitentum darin besteht, Ali zu lieben, dann gibt es keinen, der noch alevitischer ist als ich. Nur, wenn das Alevitentum eine Religion sein soll, ist Tayyip Erdogan nicht dabei! Und darüber sollen die Aleviten ohne Ali nachdenken“,

ist eines Staatspräsidenten, der laut Verfassung für die „Einheit der türkischen Nation“ stehen muss, unwürdig. Erdogan bedient sich eines polarisierendes und die AABF verschmähenden Vokabulars, das im Übrigen auch nicht mit der alevitischen Lehre konform ist. Nach alevitischem Verständnis hat jeder Mensch, sei er Alevit, Christ, Sunnit oder Schiit, Frau oder Mann, Anteil an der heiligen Kraft, besitzt also auch Eigenschaften Gottes. Gott wollte seine Schöpfermacht und Schönheit durch die Erschaffung des Menschen zeigen. Hier wird auch als Ausdruck der Gerechtigkeit Gottes betont, dass Gott keinen Unterschied macht in seiner Zuwendung zu seinen Menschen. Aus dieser Überzeugung heraus glauben Aleviten daran, dass Gott alle Menschen gleichwertig geschaffen hat. Aleviten betonen dies auch in dem Spruch: „Betrachte alle Religionsgemeinschaften und alle Ethnien als gleichwertig“.

Ein Staatspräsident, der zu seiner Amtszeit als Ministerpräsident die Benennung der geplanten dritten Brücke am Bosporus nach Yavuz Sultan Selim, der im 16. Jahrhundert für die Hinrichtung mehrerer tausender AlevitInnen verantwortlich war, unterstützte, die alevitischen Gebetshäuser als „Merkwürdigkeiten“ („ucube“) betitelte, die Einstellung des Strafverfahrens gegen die Drahtzieher und Täter des Massakers an Alevitinnen und Aleviten im Jahre 1993 in Sivas mit den Worten „möge dies unserem Volk und unserem Land Wohl bringen“, kommentierte, als Beihelfer der jihadistisch-syrischen Opposition im syrischen Bürgerkrieg fungierte und das jüngste Massaker an den dort lebenden Aleviten/innen/Alawiten/innen verschweigt, steht im eklatanten Widerspruch zu den alevitischen Werten. Noch immer ist das Alevitentum in der Türkei keine anerkannte Religionsgemeinschaft. Nach wie vor wird die Religionsbehörde „diyanet“, die ausschließlich sunnitische Interessen vertritt, mit Steuergeldern aller Bürger/innen finanziert. Immer noch müssen – trotz des EGMR-Urteils vom 23. September 2014, rechtskräftig seit Mitte März 2015 – alevitische Kinder wie alle andere andersgläubige Kinder auch – den sunnitisch-islamischen Zwangsreligionsunterricht besuchen. Erdogan und die AKP stehen für eine aggressive Politik der Assimilation von Andersgläubigen und die Unterdrückung von Andersdenkenden, gegen die wir uns wehren.

Wahre Demokraten ertragen die Existenz von anderen politischen Ansichten

Während wir sowohl im Vorfeld als auch auf der Kundgebung stets die Friedlichkeit unseres Protests betonten, wurden Demonstranten/innen, die versehentlich auf das Gelände der UETD- bzw. AKP-Anhänger geraten waren, körperlich angegriffen. Obwohl die AKP-Lobbyorganisation UETD in ihrer Selbstbezeichnung den Zusatz „demokratisch“ führt, hat das Verhalten ihrer Anhänger ein defizitäres Verständnis von Demokratie aufgezeigt. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass Besucher der UETD-Veranstaltung, die sich auf unsere Demonstration verirrt hatten, darauf hingewiesen wurden und ihnen der abgesperrte Korridor gen dm-Arena frei gemacht wurde. Wahre Demokraten ertragen die Existenz von anderen politischen Ansichten und wählen den verbalen Schlagabtausch zur Durchsetzung ihrer Interessen. Wir rufen alle Demokraten/innen und Politiker/innen dazu auf, sich endlich für das Thema zu sensibilisieren und die Aktivitäten der UETD zu beobachten.

„Dort wo die Demokratie sind, dort sind wir!“

Wir werden – zusammen mit unserem Bundesvorstand, unseren Landesvorständen und unseren Ortsgemeinden – überall dort im Bundesgebiet, wo Erdogan seine Hasspredigten hält, die uns durch das Grundgesetz gegebenen Möglichkeiten nutzen und dagegen demonstrieren.

Alevitische Gemeinde Deutschland e.V. (AABF)