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16.04.2014

Bundespräsident Joachim Gauck: „Ich möchte Ihnen danke sagen!“

Am 21. März 2014 feierte die Alevitische Gemeinde Deutschland ihr traditionelles Newroz-Fest. Ehrengast der diesjährigen zentralen Feierlichkeiten in der Alevitischen Gemeinde zu Berlin war Bundespräsident Joachim Gauck.


Dort würdigte er das inzwischen 25-jährige aktive Eintreten vieler hier lebender Alevitinnen und Aleviten für Menschenrechte, Freiheit und Demokratie, für die Werte von Aufklärung und Humanismus, für die Gleichheit von Mann und Frau, für Offenheit und Respekt. Und er ermunterte sie, sich weiterhin so engagiert in die öffentlichen Angelegenheiten in Deutschland einzubringen und ihre Stimme im Dialog zu erheben.

 

 „Ein Land, das den Verschiedenen eine gute, gemeinsame Heimat sein soll, braucht Offenheit füreinander und Respekt voreinander. Das ist einer der Gründe, warum ich heute – als Ihr Bundespräsident – bei Ihnen bin“, begrüßte Joachim Gauck die Gäste in seiner Ansprache. Rund 300 Alevitinnen und Aleviten, Nachbarinnen und Nachbarn, Freundinnen und Freunde waren zusammengekommen, um an diesem 21. März gemeinsam den „Newroz“, den kurdisch-alevitisch-persischen „Neuen Tag“, zu begehen.

 

Im Alevitentum steht dieser „Neue Tag“ für den Beginn einer neuen Periode bzw. einer neuen Jahreszeit, die neue Hoffnung, Frieden und Versöhnung in die Welt bringt. Mit dem Beisein von Bundespräsident Joachim Gauck läutete der 21. März 2014 den Beginn einer ganz besonderen neuen Ära für die in Deutschland beheimateten Alevitinnen und Aleviten ein: Als erstes deutsches Staatsoberhaupt überhaupt beging Joachim Gauck einen alevitischen Feiertag gemeinsam mit ihnen.

 

Feste, wie Newroz, die aus anderen Kulturkreisen zu uns gebracht werden, zeigen, so Joachim Gauck in seiner Rede, die uns innewohnenden Gemeinsamkeiten, die uns – bei allen oberflächlichen Unterschieden – miteinander verbinden. Er unterstrich: „Je mehr wir einander begegnen, je mehr wir uns austauschen, miteinander feiern, desto weniger können wir an Vorurteilen festhalten – und dürfen uns selbst eine Meinung bilden.“ Dabei verwies er mit einem Blick auf die Welt auch darauf, wie wenig selbstverständlich ein friedliches Miteinander in Vielfalt immer noch ist und wie wenig selbstverständlich es für Alevitinnen und Aleviten in anderen Teilen der Welt bis heute ist, ihren Glauben öffentlich auszuleben und ihre religiösen und kulturellen Feste gemeinsam mit anderen feiern zu können.

 

Hüseyin Mat, der Vorsitzende der Alevitischen Gemeinde Deutschland (AABF), freute sich deshalb sehr über die Gelegenheit, dem obersten Repräsentanten der Bundesrepublik Deutschland einmal persönlich für die Möglichkeiten und Freiheiten zu danken, die die Bundesrepublik den Menschen alevitischen Glaubens eröffnet hat. In diesem Sinne wurde dem Bundespräsident ein Bild des alevitischen Heiligen Hünkar Bekta? Veli als Geschenk übergegeben. Der Heilige lehrte bereits im Anatolien des 13. Jahrhunderts: „Vergesst nicht, dass auch euer Feind ein Mensch ist“ und warb für ein friedliches und tolerantes Miteinander der dort lebenden Völker und Gemeinschaften. Auf dem Bild sitzt Hünkar Bekta? Veli gemeinsam mit einem Löwen und einer Gazelle. Diese im Alevitentum typische Darstellung steht symbolisch für den universellen friedensstiftenden Charakter des Gelehrten, weil sogar Löwe und Gazelle, zwei natürliche Feinde, in seiner Gegenwart friedlich beieinander sitzen.

 

Bundespräsident Joachim Gauck hatte gleich zu Beginn seiner Rede deutlich gemacht, wie neugierig und gespannt er auf den Ablauf des ihm noch unbekannten Newroz-Festes sei. Dieses durfte er dann in der Alevitischen Gemeinde zu Berlin hautnah miterleben. Eingeleitet wurden die Feierlichkeiten durch das Newroz-Gebet, das von unserem Vorsitzenden des Geistlichenrats, Cafer Kaplan, und Hayal Düz, Vorstandsvorsitzende der Alevitischen Gemeinde zu Berlin, gehalten wurde. Durch das gemeinsame Wirken wurde auch die Gleichstellung von Mann und Frau, die im Alevitentum einen hohen Stellenwert einnimmt, sichtbar gemacht.

 

Im Anschluss an das Gebet folgte die traditionelle Zeremonie zur Erweckung des Lichts (Delil Uyand?rmak). Bei diesem Ritual werden Kerzen angezündet, um damit symbolisch den Sieg des Lichts über die Dunkelheit zum Ausdruck zu bringen. An dieser Zeremonie beteiligten sich Vertreterinnen und Vertreter anderer Kulturen und Religionsgemeinschaften und auch Kinder, die am Alevitischen Religionsunterricht teilnehmen, denn, so die stellvertretende Generalsekretärin Melek Y?ld?z, der 21. März steht nicht nur für das Newroz-Fest, sondern auch für den Internationalen Tag für die Beseitigung rassistischer Diskriminierung der Vereinten Nationen.

 

Nach dem Lichterweckungs-Ritual folgte ein informativer und aufschlussreicher Vortrag zu den Hintergründen des Newroz-Tages. Y?lmaz Kahraman, Bildungsbeauftragter der Alevitischen Gemeinde Deutschland, gab den Anwesenden einen Einblick in die Begrüßungszeremonien des Frühjahrs bei den anatolischen Aleviten und weckte bei allen Beteiligten, allen voran bei unserem Bundespräsidenten, das Interesse an den Newroz-Feiertag.

 

Die Alevitische Gemeinde Deutschland hatte dazu eingeladen, bei ihrem Newroz-Fest in Berlin gemeinsam ein Zeichen gegen Intoleranz und Diskriminierung und für ein friedliches und demokratisches Miteinander zu setzen. Die Gleichwertigkeit aller Menschen ist ein zentraler alevitischer Wert. So unterstrich Melek Y?ld?z zum Abschluss der Feierlichkeiten noch einmal: „Wir sind froh und dankbar zugleich, dass wir hier Religionsfreiheit, Wertschätzung und Anerkennung genießen dürfen. Anerkennung und Rechte, die Alevitinnen und Aleviten im originären Heimatland des Alevitentums, der Türkei, leider immer noch verwehrt bleiben. Die Anwesenheit unseres Bundespräsidenten in unserem Cem-Haus heute ist ein sichtbares Zeichen dieser Anerkennung.“

 

 

 

Für Fragen und weitere Auskünfte:

 

Melek Y?ld?z

 

(stellv. Generalsekretärin)

 

melek.yildiz@alevi.com


Bilder: Ibrahim Co?kun &  diesseits